Kurbellänge

Seit Tadej Pogačar im Jahr 2024 mit 165mm Kurbeln so ziemlich alles gewonnen hat, was es im Radsport zu gewinnen gibt, ist die Nachfrage nach kurzen Kurbeln auch bei Hobby-Sportlern gross. In diesem Jahr setzt sich der Trend mit den 150mm Kurbeln von Jonas Vingegaard fort. Er gewann kürzlich ein Zeitfahren mit ultra-kurzen Kurbeln. Was sind die Überlegungen dahinter und macht das auch für dich Sinn?

 

An dieser Stelle braucht es einen kurzen Exkurs in die Physik. Gemessen wird Leistung im Radsport  bekanntlich in Watt. Watt ist eine Mischung aus dem Druck der auf das Pedal kommt (Nm) und der Umdrehgeschwindigkeit des Pedals. Sinkt die Umdrehgeschwindigkeit, musst du mehr in die Pedale drücken, um die gleiche Wattzahl zu erbringen. Steigt sie, musst du weniger drücken. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die Umdrehgeschwindigkeit des Pedals nicht zu verwechseln ist mit der Trittfrequenz. Denn je kürzer die Kurbel, umso tiefer ist die Umdrehgeschwindigkeit des Pedals, bei gleicher Trittfrequenz. Das bedeutet, dass du mit kürzeren Kurbeln – bei gleichem Druck (Nm) – schneller treten musst für die gleiche Wattleistung, als mit längeren Kurbeln. Und genau das passiert am Anfang auch, nämlich dass deine Trittfrequenz steigt. Eventuell siehst du das "Aber" schon kommen. Was wenn die Strasse 10% steil ist, du bereits im kleinsten Gang fährst und die Beine schon brennen? Nun solltest du noch einen Gang kleiner schalten, um schneller treten zu können, damit du weniger in die Pedalen drücken musst. Das geht aber nicht, da du wie gesagt bereits im kleinsten Gang fährst. Tadej hat dieses Problem nicht. Er fährt auch an steilen Anstiegen so schnell, dass er immer ein oder zwei Gänge Reserve hat und mit der genau richtigen Tretgeschwindigkeit fahren kann. Aber auch im Flachen solltest du dich nicht mit Tadej vergleichen. Denn er hat kein Problem damit, eine hohe Tretgeschwindigkeit über mehrere Stunden zu fahren. Du hingegen wirst deutlich schneller müde als er. Mit der Müdigkeit verschlechtert sich deine intermuskuläre Koordination in den Beinen, was zu einem Abfall der Effizienz führt und schlussendlich in einer tieferen Trittfrequenz mündet. Das Bedeutet das gleiche wie am steilen Berg, nämlich dass du mit mehr Druck in die Pedale treten musst. Aber lassen wir die Physik mal aussen vor und schauen auf die Vorteile:

 

Vorteile von kurzen Kurbeln

  • mehr Bodenfreiheit = kleinere Gefahr in Kurven mit dem Pedal aufzusetzen
  • grösserer Hüftwinkel = kleinere Belastung für Rücken und Gesässmuskel
  • aerodynamischere Sitzposition möglich
  • grösserer Kniewinkel wenn das Pedal ganz oben ist = weniger Druck auf das Knie

Empfehlung für Hobbysportler:innen

Wenn du nun erst recht nicht mehr weisst, was für dich die richtige Kurbellänge ist, können wir das gut verstehen. Aber sei unbesorgt! Die Suppe wird längst nicht so heiss gegessen wie sie gekocht wird. Oder anders gesagt: ob du nun 172.5 oder 165mm Kurbel fährst, spielt nicht so eine grosse Rolle. Vorteile werden durch Nachteile weggemacht und umgekehrt. Du musst also nicht deine teure 172.5mm Dura-Ace Kurbel durch eine kürzere ersetzen, nur weil Tadej so eine fährt. Wenn du dir aber eh ein neues Rennrad zulegst und die Kurbellänge auswählen kannst, würden wir ganz grob folgende Kurbellängen empfehlen. 170mm oder 172.5mm Kurbeln für Personen über 175cm Körpergrösse, 165mm Kurbeln für Personen zwischen 160 und 175cm Körpergrösse und 160mm Kurbel für Personen unter 160cm.

 

Empfehlung für Amateur- & Elitesportler:innen

Vor allem im Rennsport und da vor allem in Zeitfahren / Triathlon, macht es Sinn auf kurze Kurbeln zu setzen. Dies aus aerodynamischen Überlegungen. Die kürzeren Kurbeln bewirken, dass der Oberschenkel weniger weit hoch kommt und sich der Hüftwinkel vergrössert. Dies ist positiv für den Blutfluss ins Bein und andererseits für die Kraftentfaltung aus dem Gesässmuskel. Hobbysportler jedoch sind oft durch ihre Kraft und Beweglichkeit limitiert, sodass sie den Oberkörper gar nicht so weit nach unten beugen können, als dass es für die angesprochenen Aspekte relevant wäre. 

 

Unten findest du ein Merkblatt von Swiss Cycling zum Thema Kurbellänge zum Download, mit Verweis auf Studien.

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