Interview mit Daniel Rybitschka
Hi Daniel. Erzähle uns kurz wer du bist, worauf du spezialisiert bist und was du selber als Sportler machst.
Meine Name ist Daniel Rybitschka aus Basel. Ich arbeite in der Crossklinik in Basel (Swiss Olympic Medical Center) als Spezialist für Biomechanik, Präventionsscreening & Krafttraining. Selber bin ich begeisterter Radrennsportler und betreibe im Winter Powerlifting.
Warum gerade die Crossklinik?
Es ist extrem spannend hier zu arbeiten, weil wir unter einem Dach so viele Spezialisten von Ärzt*innen über Physios bis hin zu Ernährungsbeater*innen– und damit ein grosses Knowhow haben. Zudem ist die Zusammenarbeit mit zahlreichen Radsportler*innen, darunter auch dem Tudor Pro Cycling Team sehr spannend.
Hört sich sehr spannend an! Viele Leser würden jetzt sicher zu gerne wissen, was ihr mit den Jungs von Tudor alles macht... Aber ich befürchte, dass da Schweigepflicht besteht?
Schweigepflicht würde ich es nicht nennen, aber wir hängen es nicht an die grosse Glocke. Bei der einen oder anderen Frage kann ich sicher den Link in den Profiradsport schlagen.
Dann will ich doch mit meinen Fragen und denjenigen, die wir via Instagram reinbekommen haben, loslegen. Warum sollten Radsportler:innen Krafttraining machen?
Kurz gesagt; Weil es Leistungssteigernd ist, es Verletzungen vorbeugt und es im richtigen Setting auch echt Spass macht.
Da möchte ich gleich den ersten Punkt aufgreifen. Betrifft die Leistungssteigerung nur die Sprintleistung oder auch die VO2max?
Dass Krafttraining die Sprintleistung positiv beeinflusst, ist sich die Wissenschaft einig. Bezüglich VO2max ist es etwas komplizierter. Zwar kommen verschiedene Studien zum Schluss, dass Krafttraining keinen Einfluss auf die VO2max hat, jedoch verbessert es dennoch verschiedene Parameter, welche für die Ausdauerleistung wichtig sind. So z.B. die sogenannte "Durability". Also die Leistungsfähigkeit in ermüdetem Zustand. Es ist ja genau der Parameter, der für viele Radsportler:innen sehr wichtig ist, um auch nach 3 Stunden Fahrt noch nahe an die eigene Spitzenleistung heranzukommen. Weiter zeigte sich bei dieser Studie, dass sich die Schwellenleistung (Watt bei 4mmol Laktat) verbesserte. Die Studienlage hier in wenigen Sätzen zu umschreiben ist aber kaum möglich.
Dann möchte ich gleich anmerken, dass ich die entsprechende Studie unten zum Download bereit steht. Auf was muss man also beim Krafttraining achten, um die angesprochenen Parameter positiv zu beeinflussen?
Das wichtigste ist, keine Angst davor zu haben mit relativ hohen Gewichten und niedrigen Wiederholungszahlen zu arbeiten, anstatt mit wenig Gewicht und viel Wiederholungen. Dies natürlich unter der Voraussetzung, dass Muskeln und Sehnen an diese Gewichte gewöhnt sind. Für eine Anfangsphase bieten sich Krafttrainingübungen in einem Wiederholungsbereich von 10-12 Wiederholungen pro Set an, diese sollten nach dieser ersten Anpassungaphase anschliessend auf 6-10 reduziert werden mit einer Erhöhung der Gewichte.
Warum nicht mehr als 10 Wiederholungen? Besteht da nicht die Gefahr, dass man bloss den Muskelquerschnitt vergrössert und dadurch stark an Gewicht gewinnt?
Diese Angst ist weitgehend unbegründet. Zu einem Muskelwachstum kommt es insbesondere dann, wenn der Satz bis nah ans Muskelversagen ausgeführt wird (meist herbeigeführt durch viele Wiederholungen). Unser Ziel ist es vor allem einen neuromuskulären Reiz auszulösen (sozusagen dass der Muskel besser angesteuert werden kann, ohne dass er dabei an Masse dazugewinnt) und dies geschieht durch ein Kraftraining mit hohen Gewichten und niedrigen Widerholungszahlen.
Viele Radsportler*innen mit denen ich bisher gearbeitet habe versuchen im Kraftraum “zu imitieren” was sie schon auf dem Rad machen (hohe Wiederholungen, niedrige Last). Doch genau das führt meist dazu, dass wir viel Ermüdung kreiren, ohne dass wir einen Effekt auf die Ansteuerung haben (und somit die Grundlage für all die Leistungsvorteile, die wir in den Fragen zuvor angesprochen haben)
Doch bevor man sich an die richtig hohen Gewichte wagt, sollte man eine sehr gute Basis haben. Vor allem Sehnen brauchen viel länger als Muskeln, um sich zu adaptieren. Somit sollte vor einem Maximalkraft Training in einer Anfangsphase erst mal mit moderaten Gewichten gearbeitet werden (siehe Frage oben).
Kommen wir zurück zum klassischen Krafttraining. Welches sind die besten Übungen für die Beine?
Der Klassiker ist natürlich die Beinpresse. Hier sind bereits sehr viele Muskeln im Bein und Gesäss aktiv. Da man von der Maschine geführt ist, kann man sich sehr gut ausbelasten. Da sind die Squats mit der Langhantel schon deutlich anspruchsvoller. Sie vordern zusätzlich andere Strukturen wie den Rücken, weshalb sie nur bei entsprechender Technik, in Kombination mit guter Rumpfkraft sinnvoll sind. Sehr gut sind aber auch einbeinige Übungen wie z.b. sogenannte "Lunges" (Ausfallschritt). Diese gibt es in verschiedensten Ausführungsformen, bei denen mal mehr oder weniger Stabilisation gefordert ist. Für Fortgeschrittene empfiehlt es sich, Zusatzgewichte in die Hand zu nehmen.
Wie oft pro Woche sollte man Krafttrainings machen, wie viele Sets und wie viel Pause zwischen den Sets?
Das kommt sehr darauf an, in welcher Phase man sich befindet. Im Winter sollten es zwei Krafttrainings sein, während der Wettkampf-Saison dann noch eines. Bereits ein kurzes Training pro Woche reicht, um während der Wettkampfsaison sehr viel Kraft zu erhalten. Macht man dagegen nichts, startet man nach der Saison wieder von Null. Zur zweiten und dritten Frage: Die Anzahlt Sätze hängt stark von der Anzahl Übungen ab. Ein guter Startpunkt sind pro Einheit 5-6 Übungen mit 2-3 Sätzen pro Übung. Wichtig ist, zwischen den Sätzen, 2-3 Minuten Pause zu machen. Das kommt einem zwar lange vor, ist aber sehr wichtig, um erholt genug für die Übungen zu sein und auch wirklich Im Maximalkraftbereich arbeiten zu können.
Wie sollte das Krafttraining in den Trainingsplan eingegliedert werden?
Das ist sehr unterschiedlich, je nachdem ob es eine "Standart-Woche", eine "Volumenwoche" oder ein "HIT-Woche" ist. Aber ich denke, das kannst du für deine Kunden und Kundinnen sehr gut beurteilt. Ich persönlich mache es jeweils nach einem Ruhetag, um möglichst frisch zu sein, um den gewünschten Reiz zu erzielen. Ideal wäre am Morgen früh, um möglichst viel Abstand zum Radtraining am nächsten Tag zu haben. Natürlich geht das nicht immer, vor allem wenn 2-phasig trainiert wird. Das ist genau der Grund, warum Radsportler:innen kaum Muskeln ansetzen. Nämlich weil das Trainingsvolumen oft sehr gross ist. Bei 2 Krafttrainings pro Woche, sollte mindestens einem genügend Raum gelassen werden.
Wenn ich mir die weiter oben erwähnten Übungen, vor Augen führe, reicht scheinbar eine Langhantel für zu Hause ohne Abo im Fitnesscenter, korrekt?
Ja in der Tat reicht ein Langhantel-Set mit Squat-Rack. Das kostet in der Anschaffung ähnlich viel wie ein Fitnessabo aber halt nur einmal und nicht jedes Jahr.Schulssendlich ist es auch persönliche Präferenz ob man lieber im Fitnessstudio oder zuhause trainiern möchte. Obwohl Freihanteltraining oft in Konkurrenz zu Training an den Maschinen gesehen wird, hat beides auf jeden Fall seine Berechtigung. Durch beide Trainingsgeräte kann man definitiv einen kraftwirksamen Trainingsreiz setzen.
Wer aber mit der Technik der Freihantelübungen nicht vertraut ist, sollte sich die Übungen zeigen lassen.
Bietet ihr dies für Sportler:innen an oder muss man dafür doch in ein Fitnesscenter gehen?
Selbstverständlich kann man das bei uns machen. Idealerweise in Kombination mit einem Präventionsscreening um mögliche Schwachstellen zu erkennen. Ein ähnliches Screening machen übrigens auch die Jungs von Tudor. Es ist also nicht nur etwas für Anfänger sondern auch für Profis. Denn Radsportler:innen haben teils durch die repetitive Belastung auf dem Rad Defizite in bestimmten Muskelgruppen. Das kann zu Beschwerden führen und wird durch ei Präventionsscreening frühzeitig aufgedeckt.
Gibt es weitere Tests die man machen kann?
Da gibt es noch die Kraftmessplatte, auf der man verschiedene Messungen zur Maximalkraft machen kann, sowie verschiedene Kraft- und Geschwindigkeitssensoren, die das Testing direkt in den Kraftraum bringen. Das ist aber eher etwas für Sprinter.
Apropos Sprinter. Kann ein leichter Bergfahrer zu einem Sprinter werden oder umgekehrt?
Da gibt es das alte Sprichwort welches immer noch Gültigkeit hat: "Als Sprinter wirst du geboren, Ausdauersportler kann man werden". Oder anders gesagt, wer Genetisch nicht die schnellen Muskelfasern mitbringt, wird sich diese kaum antrainieren können. In die andere Richtung ist es eher möglich.
Müssen Frauen bezüglich ihrem Zyklus etwas beachten?
Ja unbedingt. Ein Gewicht das heute kein Problem ist, wird unter Umständen in der nächste Woche viel zu schwer sein. Die Leistungsfähigkeit – vor allem im Maximalkraft-Bereich – schwankt sehr stark, je nach Zyklusphase. Hier empfiehlt es sich, auf die gefühlte Anstrengung zu achten und ein Trainingstagebuch zu führen, wann sie sich wie stark fühlt. Das Gewicht sollte dann entsprechend angepasst werden.
Was ist mit Kinder / Jugendlichen und Krafttraining?
Zwar schadet Krafttraining mit Gewichten Kindern nicht, jedoch sollte der Spassfaktor im Vordergrund stehen. Also lieber mit Sprüngen arbeiten. Bei Jugendlichen ist es aber durchaus sinnvoll, mit Gewichten zu arbeiten. Vor allem die Knochendichte wird positiv beeinflusst. Natürlich gilt es auch hier, auf eine gute Technik zu achten.
Und ältere Personen?
Je älter umso wichtiger ist das Krafttraining. Ich tue mich immer schwer das zu sagen, aber bereits ab einem Alter von 30 Jahren, geht es mit den Muskeln tendenziell bergab. Alle Masters-Fahrer:innen sollten also unbedingt Krafttraining machen.
Momentan hoch im Trend ist Crosstraining oder ähnliche Workout-Formen. Zu Recht?
Ein Crosstraining ist eher einem Ausdauertraining zuzuordnen als einem Krafttraining, Muskelkater hin oder her. Wie oben gesagt lieber mit hohen Gewichten arbeiten, anstatt etwas zu machen, das einen primär Körperlich ermüdet.
Dann ist auch leichtes Rumpfkraft-Training für die Katz?
Nein auf keinen Fall. Sogenannte "Stabi-Übungen" sind eine wichtige Ergänzung zum Krafttraining und dienen auch der Verletzung-Profilaxe. Jedoch muss nicht der Schweiss tropfen, indem man nahtlos eine Übung an die andere hängt, wie beim Crosstraining.
Dann kann ich die TRX / Sypoba-Übungen und meine Lieblingsübung (Side- & Front-Planks) beruhigt weiter machen?
Auf jeden Fall!
Cool! Zum Abschluss erlaube ich mir, noch etwas Werbung in eigener Sache zu machen: Warum nimmst du trotz deinem enormen Fachwissen als Sportwissenschaftler, die Dienste von Wyss Training in Anspruch?
Die wissenschaftliche Studienlage zu kennen ist ein Teil, um Trainingsplanung zu verstehen. Aber ein zweiter extrem wichtiger Teil ist die Erfahrung aus der Praxis, und da ist es mir wichtig, einen Coach an meiner Seite zu haben, der diese Erfahrung mitbringt. Marcel Wyss weist diese Qualitäten auf, sei es durch seine beeindruckende Karriere als Radprofi aber auch durch seine Betreuung unzähliger Radsportler*innen von Amateur bis Profiniveau.
Vielen Dank Daniel für dieses spannende Interview!